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Geschichten aus meiner Kindheit

Das weiß ich nicht

Einleitung

2. Unser Leben in Oberspitzenbach

Unser Leben in Koblenz

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Göttingen

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Episode 28
Durch Hendrik und seine Mutter lernten wir in der Kurfürstenstraße Frau Liebrecht kennen, die direkt gegenüber vom Krankenhaus Evg. Stift wohnte. Daran ist ja nichts Besonderes. Allerdings hatte Frau Liebrecht mehrere Windspiele (eine besondere Hunderasse) und sowohl in der Hohenzollernstraße als auch in einem Reiterhof im Westerwald (so was gab es damals auch schon) Pferde.
 
Im Hause der Frau Liebrecht haben wir uns gerne aufgehalten. Die Hunde haben mit uns oder wir mit ihnen gespielt. Die Wohnung war eine einzige „Chaoshütte“. Obwohl die Wohnung mit edlen Teppichen und bestimmt sehr alten und wertvollen Möbeln ausgestattet war, legte Frau Liebrecht auf Äußerlichkeiten überhaupt keinen Wert. Mit der Aufräumerei hatte es Frau Liebrecht auch nicht. Frau Liebrecht war immer sehr großzügig zu uns. Wir konnten bei ihr essen, spielen, auf den Musikinstrumenten klimpern oder sonstige Unordnung machen, es fiel ja sowieso nicht auf. Sie versuchte uns auch Geige spielen bzw. Klavier spielen beizubringen, weil sie eine sehr musisch veranlagte Frau war. Diesem Unterfangen war aber nur ein mäßiger Erfolg beschieden. Frau Liebrecht hatte eine Zwillingsschwester (Frau Helga Meyer), die ebenfalls in Koblenz wohnte, aber das genaue Gegenteil von ihr war. Ihre Wohnung war ebenfalls edel ausgestattet, aber bei ihr blinkte und blitzte alles.
 
Zurück zu den Tieren. Das war für uns natürlich eine tolle Sache, mitten in der Stadt einen Menschen zu finden, der Pferde hatte. Wir konnten mit Frau Liebrechts Töchtern bei den Tieren sein, im Stall helfen oder auf der Koppel an den Rheinwiesen uns mit den Pferden beschäftigen.
 
Nicht immer waren Tilman und ich ein Herz und eine Seele, wie die bisherigen Erzählungen Glauben machen wollen. Es gab auch zwischen uns so manchen „Zoff“, über den auch noch berichtet werden wird.
 
Eines Tages hatten wir uns mal wieder so richtig gestritten und jeder ging auf der Straße in eine andere Richtung davon. So viel mir heute noch in Erinnerung ist, ging Tilman zu Hendrik. Und ich „armer Tropf“, wo sollte ich hin? Zuerst bin ich in Richtung des Kaiserin-Augusta-Denkmals gegangen und dann zum Rhein hinunter. Nach kurzer Zeit war mir aber allein am Wasser zu langweilig und ich habe mir überlegt, was ich denn sonst noch tun könnte, so ohne meine Spielkameraden. Da kam mir die „glänzende“ Idee, Frau Liebrecht aufzusuchen, um evtl. bei ihr die nötige Aufmerksamkeit zu erfahren, die ich zu diesem Zeitpunkt vermisste. Sie hat sich gefreut, als sie mich sah, aber gleich zu Bedenken gegeben, dass sie eigentlich keine Zeit für mich hätte, da sie mit ihrem Auto in den Westerwald zu ihren Pferden fahren wollte. „Och, das macht doch nichts, da komme ich mit, mich vermisst ja keiner, da hat bestimmt keiner etwas dagegen!“, war meine Reaktion. Die Aussicht, mit ihr und noch dazu im Auto, in den Westerwald zu fahren, war einfach zu verlockend. Offensichtlich hat sie sich dabei nichts gedacht und hat mich mitgenommen. Ich habe diesen Ausflug sehr genossen. Endlich wieder auf einem Bauernhof. Ich konnte im Heu und im Stroh spielen, mir alle Tiere des Hofes anschauen, die Pferde von Frau Liebrecht striegeln und auch sonst hatte ich einen herrlichen Nachmittag.
 
Aber irgendwann geht auch mal der schönste Tag zu Ende und wir mussten wieder nach Koblenz fahren.
 
So weit, so gut. Was hatte sich in der Zwischenzeit in Koblenz ereignet? Tilman ist irgendwann am Nachmittag wieder nach Hause gegangen und kam natürlich allein daheim an. Das kam unserer Mutter sehr verdächtig vor. Ich kann mir vorstellen, wie sie ihn fragte, wo ich denn sei und er antwortete, dass er das nicht wisse und wir uns „getrennt“ hätten. Diese Aufregung, keiner wusste, wo der „kleine Bruder“ ist und keiner hatte ihn gesehen. Als es dann Abend wurde und ich immer noch nicht zu Hause angekommen war, wurde ein „Suchtrupp“ aufgestellt. Dieser schwärmte in alle Richtungen aus, um die Plätze aufzusuchen, die als unsere Spielplätze bekannt waren. Die Suche führte zu keinem Ergebnis und die Aufregung wurde noch größer, als jemand meiner Mutter erzählte, er hätte mich zuletzt am Rhein gesehen. Nun war Angst angesagt. Ist der Thomas in den Rhein gefallen, ist er vielleicht ertrunken (schwimmen konnte ich noch nicht), ist er vielleicht entführt worden (so was war damals auch schon bekannt) oder ist ihm sonst ein Unglück zugestoßen?
 
Unserer Mutter blieb nichts anderes übrig, als die Polizei um Hilfe zu bitten. Von all dieser Aufregung ahnte ich nichts - und natürlich auch Frau Liebrecht nicht.
 
Meine Brüder, meine Großtante, meine Tante und sonstige Bekannte suchten das Rheinufer ab und fragten nach einem kleinen blonden Jungen. Keiner hatte mich gesehen oder konnte sich an mich erinnern. Die Polizei ging allen erdenklichen „Spuren und Hinweisen“ nach.
 
Wer dann wem den Hinweis gab, ich sei bei Frau Liebrecht am frühen Nachmittag gesichtet worden, das weiß ich nicht. Also ging man zu Frau Liebrechts Wohnung, um mich dort zu suchen und zu finden. Ging aber nicht, ich war ja mit ihr im Westerwald. Auch keine ergiebige Quelle, aber zumindest ein Anhaltspunkt, weil ja keiner in der Wohnung war und die Nachbarn aussagten, dass Frau Liebrecht mit ihrem Auto unterwegs sei.
 
Dieses „Suchergebnis“ wurde der Polizei mitgeteilt. Die Reaktion? „Was, der ist mit der Frau Liebrecht unterwegs? Na, dann brauchen Sie sich mal keine Gedanken machen, da ist er in besten Händen und dann wird er auch bei Ihnen abgeliefert!“
 
Tolle Reaktion, die bestimmt zur „Beruhigung“ unserer Mutter beitrug!
 
Der Tag ging langsam zu Ende und es wurde schon dunkel, als wir Koblenz erreichten. Von Ehrenbreitstein muss man Richtung Pfaffendorf fahren, um von diesem Koblenzer Vorort über die Pfaffendorfer Brücke wieder in die Neustadt zu gelangen. Ganz offensichtlich hatte die Polizei die Suche nach mir noch nicht eingestellt, denn als wir auf die Pfaffendorfer Brücke auffuhren, wurden wir von der Polizei gestoppt. Das Auto von Frau Liebrecht muss ein ausgefallenes Modell und der Polizei bekannt gewesen sein. Denn nur wir wurden an den Straßenrand gewinkt, gezielt, wie mir heute erscheint. Der Polizeibeamte leuchtete mit der Taschenlampe in das Wageninnere, erkannte Frau Liebrecht, leuchtete mich an, dann wieder Frau Liebrecht und fragte:
 
„Ist das der Junge von Boehlkaus, der vermisst wird?“ „Der Junge von Boehlkaus ja, aber dass er vermisst wird, davon weiß ich nichts“, war die Antwort von Frau Liebrecht. „Das ist aber so! Er wird schon seit Stunden gesucht. Sehen Sie bloß zu, dass er schleunigst nach Hause kommt!“, so der Polizist. Also fuhren wir schnellstens von der Pfaffendorfer Brücke in die Hohenzollernstraße, das ist nicht sehr weit. Ich glaube, ich habe mich dann ziemlich weit ins Auto hineingeduckt, denn nun meldete sich mein schlechtes Gewissen! Ob Frau Liebrecht mit mir schimpfte, ist mir nicht in Erinnerung geblieben. Aber der „große Bahnhof“ vor der Haustür! Alle waren sie da, die mich gesucht hatten. Vorsichtshalber stieg zuerst Frau Liebrecht aus und entschuldigte sich wortreich bei meiner Mutter für ihre Nachlässigkeit, nicht nachgefragt zu haben, ob ich denn wirklich die Erlaubnis hatte, mit ihr mitzufahren. Ich saß noch immer ziemlich weit untergetaucht im Auto und erwartete eine kräftige Schelte bzw. eine gehörige Tracht Prügel, so glaubte ich.
 
Aber nichts von alledem geschah. Die Tür wurde aufgerissen, meine Mutter holte mich aus dem Auto und hat mich wortlos umarmt und geküsst. Der gleichen Prozedur wurde ich von allen Anwesenden unterzogen. Keiner hat mit mir geschimpft, alle waren nur glücklich, dass ich heil und gesund wieder da war!
 
Das war ein Erlebnis, das ich nur selten hatte und an das ich mich zurückerinnere, als sei es gerade gestern passiert! Einen solchen „Ausflug“ durfte ich aber nicht mehr unternehmen. Ab nun wurden Tilman und ich angewiesen, uns nicht mehr zu trennen, bzw., wenn doch, so mussten wir zu Hause Bescheid sagen, wer wohin ging. Sehr verständlich, oder?
 

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