fünfundzwanzig

   
 


 

 

Geschichten aus meiner Kindheit

Das weiß ich nicht

Einleitung

2. Unser Leben in Oberspitzenbach

Unser Leben in Koblenz

3.2 Sebastian-Bach-Str. 12

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Erlebnis 25
1962 gibt es zwei ganz wichtige Ereignisse. Im Februar ereignete sich die Sturmflutkatastrophe in Hamburg. Dies hatte Auswirkungen auf uns. Wir waren noch beim Jugendrotkreuz. Aus dem ganzen Rheinland und dem Saarland trafen in Koblenz Hilfslieferungen für Hamburg ein. In der Regel handelte es sich um Bekleidung, da die Menschen im Hamburg – im Alten Land – ihre gesamte Habe verloren hatten. Die angelieferten Sachen mussten sortiert, gesichtet, verpackt, verladen und transportiert werden. Das Sortieren übernahmen die Frauen vom Roten Kreuz. Das Sichten und Verpacken übernahmen die Männer. In der Schule in Lützel stapelte sich tonnenweise Bekleidung, die wir Jungen vom Jugendrotkreuz verpackten. Das hat tagelang gedauert und mir kam es so vor, als würde es nicht weniger, sondern immer mehr. Den Transport übernahm die Bundeswehr. Zuerst von Lützel zum zentralen Lager auf der Festung Ehrenbreitstein und von dort aus nach Hamburg. Das klingt zwar unlogisch, war es aber nicht, weil neben der Festung Ehrenbreitstein das Transportbataillon lag, das den Transport mit LKW und Hubschrauber organisierte. Das Lager auf der Festung Ehrenbreitstein befand sich in der riesigen Eingangshalle der Bergstation des Sesselliftes, der von Ehrenbreitstein zur Festung führt. Hier haben wir die Säcke bis unter die Decke gestapelt! Die Halle hat eine Höhe von ca. 10 Metern. Es war eine lohnende und schöne Aufgabe, die uns auch viel Lob eingebracht hat!
 
Das andere Ereignis ist nicht ganz so rühmlich. An Ostern 1962 wechselte ich von „Dr. Arle`s Höherer Privat Lehranstalt“ – auf eigenen Wunsch – zum Neusprachlichen Gymnasium am Friedrich Ebert-Ring. Das tat ich deshalb, weil das Schulgeld auf der vorgenannten Schule für meine Mutter immer höher wurde, je höher die Klasse war und ich ihr dieses Geld ersparen wollte. Meine schulischen Leistungen waren aber auf dem Neusprachlichen Gymnasium nicht so, wie Mutti und die Lehrer sich das verstellten. Man empfahl mir, die Schule zu wechseln oder zu beenden. Ich habe mich für den letzten Schritt entschieden. Nun ging aber das „Drama“ erst richtig los. Was sollte ich tun, wo bekam ich eine Lehrstelle her und wie sollte es insgesamt weitergehen? Alles Fragen, mit denen ich mich zuerst einmal nicht beschäftigt habe, da die Ferien anstanden! Mit Tilman habe ich im Sommer 1962 den letzten gemeinsamen Sommerurlaub auf der Burg Waldeck verbracht. Wir blieben aber nicht die ganze Zeit auf der Burg Waldeck, sondern sind noch gemeinsam in den „Hohen Norden“, nach Brake in die Wesermarsch, getrampt. Wir sind dort hin durch einen Nerother eingeladen worden. Es waren wunderschöne Tage, die wir beide sehr genossen haben! Auf dem Weg nach Brake haben wir bei Oldenburg im Straßengraben übernachtet, weil wir nicht mehr weiterkamen bzw. uns keiner mehr mitgenommen hat. Am nächsten Morgen wurden wir durch einen sehr gesetzten Herren mitgenommen, der uns eröffnete, dass er noch dienstliche Verpflichtungen hätte, wir könnten aber mitkommen und er würde uns anschließend nach Brake bringen. Zuerst dachten wir: „Was für ein Angeber!“ Später wurden wir eines Besseren belehrt! Der Herr, der uns mitnahm, war der Oberkreisdirektor der Wesermarsch! Vergleichbar mit unserem Landrat. Dies ist ein Überbleibsel aus der britischen Besatzungszeit. (Zur Erläuterung: Der Landrat ist ehrenamtlich gewählt, der Kreis- oder Oberkreisdirektor ist hauptamtlich beschäftigt.) So kamen wir dazu, dass wir bei einer Schwimmbadeinweihung zu den „Ehrengästen“ gehörten und es uns im „Dunstkreis“ unseres „Gönners“ gut gehen lassen konnten. Getränke und Essen frei und noch eine schöne Fahrt durch die Wesermarsch. Die Tage in Brake waren herrlich. Wir besuchten von dort aus Bremerhaven und die Kolumbuskaje. Auf dieser Tour war das Wetter schlecht und so stürmisch, dass wir uns rückwärts gegen den Wind legen konnten, ohne umzufallen! Bei einem Strandausflug versuchten wir, gegen die Flut in der Weser anzuschwimmen, weil wir unbedingt zu einer Sandbank schwimmen wollten. Das ist uns selbstverständlich nicht gelungen und wir sind ca. einen Kilometer weiter unterhalb der Stelle, an der wir losgeschwommen sind, völlig erschöpft aus dem Wasser gestiegen. Auf dem Rückweg aus der Wesermarsch haben wir bei Leverkusen in einem Kieswerk übernachtet und wurden durch die Arbeiter am nächsten Morgen geweckt. Da Tilman sich unterwegs eine Verletzung zugezogen hatte, welche „das weiß ich nicht“, sind wir dann von Deutz über Köln mit dem Zug nach Koblenz zurückgefahren. Vorher haben wir unsere letzten Pfennige zusammengekratzt und alles geopfert, damit die Zugfahrt überhaupt klappte. Ich meine mich erinnern zu können, dass wir nicht genug Geld hatten, um mit dem Zug fahren zu können. Der Schaffner hat aber Gnade vor Recht ergehen lassen und beließ uns im Zug, netter Zug von ihm.
 
Nachdem wir wieder in Koblenz waren, musste ich mich ernsthaft um meine Zukunft kümmern! Es wurde ein Termin mit dem Arbeitsamt ausgemacht. Ich führte dort den „berühmten“ Eignungstest durch und es stellte sich heraus, dass ich für die Polizei und die Bundeswehr geeignet sei, aber ja keinen kaufmännischen Beruf ergreifen sollte! Es kam ganz, ganz anders. Auf dem Rückweg vom Arbeitsamt bin ich durch die Löhrstraße gegangen. Dort gab es damals das sehr gute Restaurant „Zur ewigen Lampe“. Im Fenster sah ich, dass die Geschäftsleitung einen Kochlehrling suchte. Ich dachte mir, das wäre es, das könnte mir Spaß machen. Ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen, bin hineingegangen und habe mich durchgefragt. Zu meinem ganzen Erstaunen waren alle sehr freundlich zu mir und ich bin mit einem Lehrvertrag wieder aus der „Ewigen Lampe’“ hinausgegangen. Mit Stolz geschwellter Brust kam ich heim. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Zu Hause tagte der Familienrat, bestehend aus meiner Mutter und meiner Schwester, die mir eröffneten, ich hätte eine Lehrstelle als Kaufmannsgehilfe bei Onkel Hans Wagner (Onkel von Utes Mann Jochen) in Göttingen und könnte dort am 16. September 1962 meine Lehre beginnen. Es sei alles vereinbart, abgesprochen, ich sei dort im Haus mit Familienanschluss untergebracht und einem Umzug meinerseits stünde nichts mehr im Wege!!
 
Was sollte ich tun? Ich hatte mir meine Lehrstelle selbst gesucht und meine Mutter hatte für mich eine Lehrstelle parat! Wie sollte ich mich jetzt entscheiden? Widerspruch einlegen oder „braver Sohn“ spielen? Ich bin ganz ehrlich. Ich habe mich nicht getraut zu sagen, dass ich eine Lehrstelle hätte. Ich hätte ja nur den Lehrvertrag aus der Tasche ziehen müssen!
 
Aber wie man dort auf mich einredete, konnte ich keinen klaren Gedanken fassen und, da ich meine Familie kenne, wäre Widerspruch zwecklos gewesen!
 
Also habe ich mich gefügt und habe eine Lehrstelle angetreten, die ich nicht wollte und von der mir das Arbeitsamt dringend abgeraten hatte.
 
Meine Kinder- und Jugendzeit in Oberspitzendbach und Koblenz sowie die gemeinsame Zeit mit Tilman war vorbei!
 
Hier muss ich noch anmerken, dass Tilman immer der „Alphatyp“ in unser Beziehung war. Wenn er zu mir in der damaligen Zeit gesagt hätte: „Spring in den Rhein!“, ich wäre gesprungen! Und nun sollte ich von meinem Bruder getrennt werden!? Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
 
So wurden die Koffer gepackt, der Fahrschein – einfach, ohne Rückfahrt – gekauft, ich wurde in Koblenz in den Zug verfrachtet und nach Göttingen geschickt. Zu Leuten, die ich nicht kannte, die ich mit Onkel und Tante anreden musste und in eine mir völlig fremde Umgebung. Weit weg von der Heimat, von den Freunden, von der Familie und vor allen Dingen von meinem Zwillingsbruder!
 
Das war schon hart!
 
 
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